Anti-Diskriminierungsarbeit

Borussia Dortmund

Historisch-politische Bildungsarbeit und Erinnerungsprojekte als Teil der Anti-Diskriminierungsarbeit von Borussia Dortmund

Schon seit 2008 richten sich unterschiedliche Angebote zur historisch-politischen Bildung an die Fans von Borussia Dortmund. Zunächst waren dies u.a. gemeinsame Besuche der Gedenkstätten Dachau und Sachsenhausen, gekoppelt an Auswärtsspiele des BVB in München und Berlin.

Die Bildungsprojekte sind fester Bestandteil der von Borussia Dortmund organisierten Antidiskriminierungsarbeit und bilden eine eigene Säule der dargestellten Gesamtkonzeption, an deren Entwicklung ich seit 2011 beteiligt bin.

Mit den Aktivitäten in der historisch-politischen Bildungsarbeit verfolgt Borussia Dortmund gleich mehrere Ziele. Besonders wichtig ist uns, deutlich zu machen, dass unsere Arbeit nicht ausschließlich als Reaktion auf antisemitische und rassistische Vorfälle in der Fanszene zu verstehen ist. Vielmehr möchte der Klub seine besondere Verantwortung als gesellschaftlicher Akteur wahrnehmen und aktiv dazu beitragen, dass sich eine vielfältige, weltoffene und tolerante Haltung durchsetzt. Für die Gestaltung einer guten Zukunft gehört zwangsläufig die ehrliche und selbstkritische Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit.

Antisemitische Stereotype und Vorstellungen sind, wie in der Gesamtgesellschaft, auch in der Fußballwelt fest verankert. Häufig finden sich dabei Bezüge auf die Zeit des Nationalsozialismus und die Verfolgung und Ermordungen der europäischen Jüdinnen und Juden. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Antisemitismus beginnt damit, Fakten und Hintergründe der deutschen Geschichte zu erfahren.

Mit unseren regelmäßigen Reisen zu Gedenkstätten in Deutschland und Polen möchten wir interessierten Fans die Möglichkeit bieten, sich über die Geschichte des Holocaust und die ihm zugrunde liegende Ideologie zu informieren. So beeindruckend die Orte der nationalsozialistischen Verbrechen und die Gedenkstätten auf den ehemaligen Lager-Arealen sind: Sie erzielen ihre Wirkung auf die TeilnehmerInnen nicht automatisch. Borussia Dortmund flankiert die Reisen daher mit einem Konzept, das neben Workshops und Führungen auch Zeit bietet, sich im geschützten Rahmen individuell mit unterschiedlichen Aspekten des Holocaust auseinanderzusetzen. Ausgebildete Fachkräfte aus unserem Team und ExpertInnen unserer Netzwerk- und Projektpartner stellen sicher, dass alle Angebote wissenschaftlich und pädagogisch vor- und nachbereitet werden.

Die TeilnehmerInnen werden zu MultiplikatorInnen in der Fanszene von Borussia Dortmund. Sie berichten nach der Rückkehr über ihre Erlebnisse und interessieren FreundInnen und andere Fans in ihrem Umfeld für die Teilnahme an den folgenden Projekten. Wir stärken mit unseren Angeboten die positiven Kräfte in der Fangemeinschaft. Auf diese Weise entstand in den vergangenen Jahren ein Netzwerk von mehreren hundert Fans, das durch kontinuierliche Angebote vor Ort in Dortmund aktiv bleibt. Die so einbezogenen Fans bestärken sich gegenseitig, um privat oder im Fußballumfeld gegen antisemitische oder diskriminierende Parolen aktiv zu werden.

Das beständig wachsende Netzwerk couragierter Fans zeichnet eine besondere Charakteristik aus: Im Vergleich zu anderen Projekten der historisch-politischen Bildung ist es außergewöhnlich heterogen. Es gibt keinerlei Grenzen mit Blick auf die soziale Herkunft, die Bildungsbiographie oder das Alter. Damit möchten wir auch der verbreiteten Annahme entgegenwirken, dass insbesondere junge Menschen die Zielgruppe vergleichbarer Angebote sein sollten. Für viele ältere TeilnehmerInnen war das Angebot einer organisierten und methodisch vorbereiteten Gedenkstätten-Reise mit dem BVB das erste dieser Art. In vertiefenden Gesprächen und während der Tagesnachbereitungen hat sich die Heterogenität der Gruppe als besonders fruchtbar herausgestellt. Sie ermöglicht einen Austausch zwischen Menschen, die sich in ihrem beruflichen und privaten Alltag kaum auf einer inhaltlichen Ebene begegnen.

Das Netzwerk der aktiven Fans wird dadurch umso tragfähiger, dass es wie ein gemeinsames Dach über verschiedene Gruppierungen innerhalb der großen BVB-Familie hinweg gespannt wird. Die Liebe zur Borussia verbindet die TeilnehmerInnen der Projekte. Dabei heben viele von ihnen bei den Projektauswertungen die hohe Bedeutung des Umstandes hervor, die intensive, emotionale und anstrengende Auseinandersetzung mit der Geschichte der historischen Orte in einem Angebot „ihres“ Vereins betreiben zu können. Da die Fans von Borussia Dortmund eine hohe Identifikation mit der Stadt und ihrer Geschichte aufzeigen, setzen wir in allen Projekten mit der Einbeziehung der lokalen Geschichte in die Bildungsarbeit einen inhaltlichen Ankerpunkt.

Die im Folgenden detailliert dargestellten mehrtägigen Angebote werden durch unterschiedliche Aktivitäten ergänzt, die über das Jahr verteilt immer wieder auch TeilnehmerInnen aus den vergangenen Jahren vor Ort in Dortmund zusammenführen. Auf diese Weise werden die weiteren Themenfelder der Antidiskriminierungsarbeit miteinander verknüpft und auch der gegenwärtige Antisemitismus in den Blick genommen.

Der Erfolg der Bildungsprojekte basiert auf Kontinuität und auf der aktiven Einbeziehung der Fans. Nur so kann das Netzwerk nachhaltig wachsen und stabilisiert werden. Ehemalige TeilnehmerInnen werden als TeamerInnen in nachfolgende Projekte mit eingebunden. Ein elementarer Bestandteil der BVB-Konzeption ist, nicht nur Angebote des Vereins für Fans zu schaffen, sondern auch Fangruppen in ihren eigenen Initiativen zu unterstützen und zu bestärken.

Weitere Projekte der Arbeit gegen Diskriminierung

Über die Gedenkaktivitäten und die Maßnahmen gegen Antisemitismus hinaus, ist der BVB gegen Diskriminierung und für eine vielfältige Gesellschaft aktiv – oft im Netzwerk sowie mit wichtigen PartnerInnen aus der Stadt und der Fanszene.

Gedenkminute mit Familie Kubaşik

Mehmet Kubaşik wurde am 4. April 2006 von Mitgliedern des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) in Dortmund ermordet. Er war eines von zehn Opfern der extrem rechten Terrorgruppe, deren Netzwerk auch in die Stadt Dortmund reichte. Als Zeichen der Solidarität mit der Familie und als deutliches Statement gegen rechten Terror veranstaltete der BVB zusammen mit seinen Fans und der Familie Kubaşik am 3. April 2016 anlässlich des 10. Todestages von Mehmet Kubaşik vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen Werder Bremen eine Gedenkminute. Seither stehen Borussia Dortmund und die Familie in engem Kontakt.

Kein Bier für Rassisten

Unter dem Slogan „Kein Bier für Rassisten“ druckte die Fan- und Förderabteilung von Borussia Dortmund mit Unterstützung des BVB im Sommer 2015 über zwei Millionen Bierdeckel. Sie wurden an Restaurants, Kneipen und Bars in Dortmund verteilt, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Ein QR-Code auf den Bierdeckeln führt auf eine Internetseite, auf der starke und überzeugende Argumente gegen rassistische Stammtischparolen zu finden sind. Zudem entwickelte der BVB gemeinsam mit Fans einen Workshop unter demselben Titel, der seither mit interessierten Fanclubs durchgeführt wird. Die Workshops, die von TeamleiterInnen aus der Fanszene geleitet werden, sensibilisieren für Rassismus und Diskriminierung im Fußball und fördern couragiertes und umsichtiges Verhalten im Stadion.

Ordnungsdienstschulung

Unsere OrdnerInnen bilden ein wichtiges Gerüst für den sicheren Ablauf von Spieltagen. Um sie auch für diskriminierendes Verhalten, rassistische und antisemitische Parolen und extrem rechte Symbole zu sensibilisieren, schult der BVB seine rund 1.000 MitarbeiterInnen des Ordnungsdienstes regelmäßig in einem 90-minütigen Modul. Dabei wird u.a. im Rahmen eines Rollenspiels Handlungssicherheit vermittelt und eingeübt. Der Ordnungsdienst lernt und übt ein, wie er im Stadion mit TäterInnen umgehen und wie er Betroffene unterstützen kann.

Aktionstage für Zivilcourage

Seit 2017 veranstaltet Borussia Dortmund in Zusammenarbeit mit der Fanabteilung sowie der Fan-Initiative „Ballspielvereint!“ jährlich einen Aktionstag im Stadion. Angeboten werden Workshops u.a. zu Zivilcourage, Homophobie und Rechtsextremismus in Dortmund. Ziel ist, Fans für Themen wie Diskriminierung zu sensibilisieren und gemeinsam über gesellschaftliche Entwicklungen zu diskutieren. Jährlich nehmen ca. 150 BVB-AnhängerInnen am Aktionstag teil.

Tag gegen das Vergessen und #WeRemember

Jahr für Jahr am 27. Januar organisiert das BVB-Museum BORUSSEUM gemeinsam mit Fans in Erinnerung an die Opfer des Holocaust den „Tag gegen das Vergessen“. Begleitet wird diese Veranstaltung durch einen Aktionsspieltag im Stadion. In den Jahren 2017 und 2018 schloss sich der BVB zudem der Kampagne des World Jewish Congress unter dem Motto #WeRemember mit einem Mannschaftsfoto vor Spielbeginn an. In diesem Jahr gab es erstmals einen Videobeitrag mit Fans, MitarbeiterInnen, Sponsoren und der BVB-Legende Lars Ricken. Darin stellten sie Biografien im Holocaust ermordeter Menschen vor.

Konferenz und Besuch im EU-Parlament

Die Arbeit gegen Diskriminierung und Antisemitismus ist für uns kein sportlicher Wettbewerb. Der BVB stellt seine Arbeit und Konzepte im Rahmen von Fachkonferenzen und Workshops auch anderen AkteurInnen zur Verfügung. Ein besonderer Anlass war die Konferenz „Football unites-Racism Divides“, die im Mai 2018 im Europaparlament in Brüssel stattfand. Organisiert von B‘nai B‘rith International und dem European Jewish Congress zusammen mit den EU Abgeordneten der offiziellen EU Parlaments-Arbeitsgruppe Antisemitismus, sowie den interfraktionellen Arbeitsgruppen „Antirassismus und Vielfalt“ und „Sport“, konnte der BVB seine Arbeit auf politischer Ebene präsentieren und interessierten Akteuren aus ganz Europa zugänglich machen.